Oma, in welche Disco bist du denn gegangen?

Diese Frage stellte die 16jährige Hanna ihrer Oma, als die ihren achtzigsten Geburtstag feierte.
Die Oma, konnte sie nur verwundert ansehen, denn als sie so alt war wie Hanna, da gab es noch keine Disco. Selbst das Wort war fremd, was sollte das denn sein – eine Disco?

Jungen und Mädchen streng getrennt
Wenn es die schon gegeben hätte, wäre die Oma, als sie 16 war, mit ihren Freundinnen sicher gerne in eine Disco gegangen. Als sie jung war, gab es aber in der kleinen Stadt außer einem Kino nur eine etwas anrüchige Tanzbar, ihr Besuch war natürlich nicht erlaubt und ganz und gar undenkbar. Überhaupt: Ausgehen am Abend war nur in Begleitung von Erwachsenen möglich. Immerhin gab es eine Ausnahme. Der Besuch der Maiandacht in der alten Kirche war im Alleingang gestattet und wurde deswegen eifrig genutzt. Denn dort gab es die seltene Gelegenheit, um mit den Jungen einen Flirt anzufangen, nicht nur Blicke, auch Briefchen auszutauschen. Ansonsten wurden zu der Zeit Jungen und Mädchen streng getrennt, die Jungen gingen ins Gymnasium, die Mädchen besuchten das Lyzeum. Undenkbar, dass sich Jungen und Mädchen auch nur zu einem Spaziergang trafen. Wurden sie zusammen gesehen, gab es mit Sicherheit zu Hause und in der Schule Ärger. Nicht vorstellbar waren auch Mädchen mit Lippenstift, Lidschatten und lackierten Fingernägeln oder gar Jungs mit Ohrringen. Jeanshosen gab es noch lange nicht, auch keine Leggins. Im Winter wurden Leibchen getragen mit Strapsen daran, an denen kratzige Strümpfe befestigt wurden. Sie wurden nicht gemocht, trotzdem mussten sie getragen werden.

Überhaupt waren die Verhältnisse früher ganz anders
Zu Hause gab es noch keine Zentralheizung und kein Badezimmer. Geheizt wurde nur in der Wohnküche, dem einzigen warmen Raum im Haus. Dort stand der Kohleherd, auf dem Essen und Wäsche gekocht und das Bügeleisen erhitzt wurde. Man wusch sich dort im Spülbecken mit kaltem Wasser. Zum Baden wurde samstags eine Zinkwanne in der Küche aufgestellt. Das Wasser dafür wurde auf dem Herd in Töpfen erwärmt und in die Wanne geschüttet. Ein Kind nach dem anderen stieg dann ins Wasser und wurde von der Mutter gründlich mit der Bürste abgerubbelt. In einem Anbau neben der Küche war die Toilette, ein Plumpsklo. Im Winter war es dort saukalt. Als Toilettenpapier dienten alte Zeitungen, handlich geschnitten und an einem Nagel aufgehängt. Gleich nebenan grunzte ein Schweinchen, das dort in einem Stall gemästet wurde. Das Fernsehen war noch nicht erfunden. Nur wenige Familien hatten ein Radio. Telefon und Auto gab es nur beim reichen Mühlenbesitzer.

Lauter Fremdworte
Waschmaschine, Spülmaschine, wie wir sie heute aus unserem Leben nicht mehr wegdenken können, waren für uns nicht einmal vorstellbar. Von Kugelschreibern, Scheckkarten, Videorecordern, Computern oder Handys hatten wir keinen Schimmer. Simsen, mailen, chatten, skypen – das waren Fremdworte. Keine Ahnung von Wellness – ein Event, was ist das -ein Rapper, wer ist das?

Es sind nur wenige Jahrzehnte, die Hanna und ihre Oma trennen
Aber wie rasend schnell hat sich die Welt in dieser Zeit verändert. Die Generation der Oma musste viel lernen und sich immer wieder auf Neues einstellen. Und auch das ist neu: früher lernten die Jungen von den Alten, heute ist es oft umgekehrt. Großeltern lernen von ihren Enkeln mit den neuen Techniken umzugehen, z.B. einen Computer zu bedienen und im Internet zu surfen. Wie es in einer Disco zugeht, weiß die Oma aber immer noch nicht. Aber Hanna hat gemeint: „Oma, komm doch einfach mal mit!”

Ingeborg Schoneberg, Bewohnerin der Tibus Residenz

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